Neutrik powerCON für Anfänger und Bastler

Ein Artikel von Ramón Lang, veröffentlicht am 27. Oktober 2023.
Die Lesedauer beträgt ungefähr 10 Minuten.

Eine eher unbekannte Art, Kabel und Geräte mit einander zu verbinden bietet das Neutrik-System aus Liechtenstein. Zwar kenne ich es schon seit vielen Jahren aus der Veranstaltungsbranche, aber viel darüber nachgedacht habe ich all die Jahre nie. Erst heute habe gelernt, dass das System auch für andere Anwendungen Vorteile bietet, mit denen insbesondere auch Bastler auf ihre Kosten kommen könnten.

Achtung

Der Umgang mit Netzspannung ist lebensgefährlich und unterliegt gesetzlichen Richtlinien. Ich bin kein Elektriker und kann daher nicht garantieren, dass alle Einzelheiten aus diesem Artikel den gesetzlichen Richtlinien oder Normen entsprechen.

Was kann ich damit tun?

Die Neutrik powerCON-Stecker und Buchsen sind erst einmal nichts anderes als normale Kaltgerätestecker- bzw. Buchsen. Also dasselbe, wie man auch von Netzstecker an einem Turm-Computer kennt. Es dienst also dazu, Strom zu übertragen. Es handelt sich also um dreipolige Verbindungen, die auf eine Spannung von 250V ausgelegt sind – genauso wie herkömmliche Steckdosen oder Verlängerungskabel von zuhause.

Die Vorteile

Warum also sollte man sich für ein teures Sondersystem entscheiden, wenn die Grundfunktion dieselbe ist, wie die von Steckern und Steckdosen aus dem Baumarkt? Ein Element kostet jeweils knapp 10€. Da gibt es gleich einige gute Gründe:

Darüber hinaus sind Ströme bis zu 32A möglich, was den Einsatz sehr flexibel macht. Einige Verbindungen können unter voller Last verbunden oder getrennt werden.

Die Systeme

Neutrik bietet eine Vielzahl von Produkten an. Ich beziehe mich in diesem Artikel nur auf die powerCON-Produkte. Eine einfach verständliche Übersicht ist auch auf der Hersteller-Website zu finden: https://www.neutrik.de/de-de/produkte/power

Blau/ Grau

Das Blau/ Grau-System ist sozusagen die Basis-Variante. Das System ist leicht an den Farben erkennbar: Stecker haben einen blauen oder grauen Ring und die Buchsen sind komplett blau oder grau eingefärbt.

Dieses System bietet die oben genannten Vorteile, mit Ausnahme der Wasserdichtigkeit. Mit der IP20-Zertifizierung ist lediglich ein Schutz vor Berührung der spannungsführenden Teile gegeben, jedoch keinerlei Schutz vor Wasser – auch nicht Spritzwasser. Das System ist also nur für den Indoor-Bereich nutzbar.

Zu beachten ist, dass auch innerhalb dieses Systems zwischen einem neuen und einem veralteten System zu unterscheiden ist. Das veraltete System ist daran zu erkennen, dass deren Stecker nicht nur mit einem farbigen Ring ausgestattet, sondern vollfarbig sind:

powerCON TRUE1 TOP

Ich habe mich bei meinen Anwendungen für dieses System entschieden, da ich sie auch außen nutze, wo es regnet. Dieses System ist daran erkennbar, dass alle Stecker und Buchsen komplett schwarz sind:

Wichtig zu beachten ist, dass die Wasserdichtigkeit nur gewährleistet ist, wenn Stecker und Buchse miteinander verbunden sind. Für Einbaubuchsen sind daher zusätzliche Schutzkappen notwendig, die das Eindringen von Wasser verhindern. Hier gibt es verschiedene Varianten.

Das powerCON TRUE1 TOP-System ist nicht zu verwechseln mit powerCON TRUE1. Also ohne „TOP“. Das Vorgänger-System TRUE1 ist optisch fast identisch, ist aber an den gelben Elementen zu erkennen. Diese beiden Serien sind trotzdem vollständig kompatibel untereinander.

powerCON 32 A

Für höhere Ströme bis 32A ist diese Serie ausgelegt. Allerdings sind diese Verbindungen wiederum nur nach IP20 zertifiziert.

Unterscheidung & Montage

Bei der Montage beziehe ich mich auf das powerCON TRUE1 TOP-System, das mir persönlich am besten taugt. Es ist am vielseitigsten Einsetzbar. Neutrik betreibt auch einen kleinen YouTube-Kanal, auf dem Videoanleitungen zu sehen sind: https://www.youtube.com/@ExperienceNeutrik/playlists

Diese haben mir bei der Montage auch geholfen. Wenn Du diesen Artikel liest, bist du aber vermutlich das erste Mal im Kontakt mit diesem System. In diesem Fall erleichtern dir meine Erfahrungen möglicherweise den Umgang mit dem System.

Als erstes müssen wir natürlich wissen: Was ist was? Bei der Bestellung der Komponenten habe ich leider nur den Onlineshop reichelt.de gefunden. Dieser hat zwar ein großes Sortiment. Aber ich kann ihn nicht unbedingt empfehlen. Auf der Neutrik-Website sind auch andere Händler aufgeführt, die Neutrik-Produkte verkaufen. Falls du einen Shop kennst, der die Produkte verkauft, kannst du ihn gerne als Kommentar zu diesem Artikel nennen.

In dieser Tabelle beschreibe ich, welches Produkt was ist. Der Vergleich mit dem SchuKo-System vereinfacht die Zuordnung der richtigen Funktion:

FunktionBezeichnungpowerConSchuKo
Strom-Ausgang (Steckdose/ Buchse)NAC3FX-W-TOP
Strom-Eingang (Stecker)NAC3MX-W-TOP
Strom-Eingang (Stecker)NAC3MPX-WOT-TOP
NAC3MPX-TOP
Strom-Ausgang (Steckdose/ Buchse)NAC3FPX-WOT-TOP
NAC3FPX-ST-TOP

Die jeweiligen Stecker sind auch für große Kabelquerschnitte erhältlich. In der Bezeichnung sind diese am Ende mit „-L“ erkennbar (z.B. „NAC3MX-W-TOP-L“).

Bei den Einbaubuchsen habe ich mich jeweils für die „WOT-TOP“-Variante entschieden. Der Unterschied ist, dass bei dieser Variante keine Isoliertrennwand vorhanden ist. Allerdings wusste ich nicht, was das genau bedeutet.

Als Eselsbrücke kann man sich merken, dass es sich immer dann um einen Strom-Eingang handelt, wenn die Kontakte sichtbar sind. Das ist auch beim SchuKo-System so. Da wo Spannung geführt wird, sind die Kontakte nicht offen, da dadurch ein Stromschlag verhindert wird. Einen Strom-Eingang in Form einer SchuKo-Steckdose gibt es übrigens nicht, weshalb dort auch kein Bild vorhanden ist.

Montage des Steckers

Der erste Schritt ist einfach: Die Stecker werden als erstes auseinandergenommen. Dazu wird der Schaft aufgeschraubt. Es müssen dann vier Teile vorhanden sein. Die Einbaubuchsen müssen nicht auseinandergenommen werden.

Leider habe ich die beiden Teile rechts in der verkehrten Reihenfolge hingelegt. Das Teil mit dem Gewinde kommt ganz nach rechts. Das Kabel wird nun vor dem Abisolieren durch die ersten beiden Bestandteile links geführt. Dann werden die Adern abisoliert und eine nach der anderen am richtigen Kontakt eingeführt und festgeschraubt. Die Beschriftungen sind mit denen eines Schuko-Steckers identisch (N, L und Erdung). Etwas schade ist, dass zum Festschrauben Torx-Schrauben verwendet werden. Wer kein entsprechendes Set zuhause hat, muss dieses direkt mitbestellen oder im Baumarkt besorgen.

Nun wird das weiße Teil ganz auf die Aderbefestigung aufgeschoben. Dabei muss man solange drehen, bis die beiden Teile zusammenpassen. Sobald diese passen, werden sie durch die Steckerhülle geschoben (zweites Teil von rechts). Auch hier gibt es nur eine passende Stellung, mit der das Durchschieben klappt. Das ist wichtig, damit die Kontakte später in der richtigen Position liegen. Das Einführen muss ohne viel Kraftaufwand erfolgen. Ansonsten ist es möglich, dass man die beiden Teile falsch einführt. Auf dem Foto (rechts) ist erkennbar, in welcher Anordnung die Kontakte liegen müssen.

Nun ragt das weiße Teil nur wenig nach hinten raus und das Endstück (links) kann aufgeschraubt werden. Dabei hört man mehrfaches Klicken.

Der Verschluss ist so gestaltet, dass er nicht einfach so wiederaufgeschraubt werden kann. Es gibt eine Art Kindersicherung. Zuerst wird das Gewinde wenig aufgeschraubt, bis an einer Markierung ein Metallstück erscheint. Dieses wird mit einem spitzen Gegenstand nach innen gedrückt. Gleichzeitig muss jetzt das Gewinde weiter aufgedreht werden. Dann lässt sich die Kappe wieder vollständig abnehmen. Auch hier ist es wichtig, nur wenig Kraft anzuwenden. Dreht man das Gewinde zu stark, verbiegt sich im Schaft das Sicherungsstück.

Montage der Einbaubuchsen

Hier ist zu beachten, dass der Bohrungs-Durchmesser von Strom-Ein- und Ausgang nicht identisch sind! Das ist nicht nur wichtig, um richtig zu bohren, sondern auch, um die richtigen Verschlusskappen zu kaufen. Diese müssen im Durchmesser natürlich dem richtigen Typ entsprechen.

Ansonsten gibt es bei den Buchsen nur noch zu beachten, dass diese ebenfalls mit Schraubklemmen, aber auch mit Anschlüssen für Flachstecker erhältlich sind. Leider waren in meinem Fall nur die Buchsen für Flachstecker erhältlich, sodass ich zusätzlich noch eine Crimpzange und Flachstecker besorgen musste. Löten wäre zwar auch denkbar, aber ich war mir nicht sicher, ob die Kunststoffteile diese Temperaturen unbeschadet überstehen würden. Zuerst dachte ich mir: „Toll, die Kontakte kann man entfernen und dann verlöten“. Doch dann kam der Moment, an dem ich die verlöteten Kontakte wieder einführen möchte. Das geht dann nicht mehr. Also musste ich die Adern wieder trennen:

Wenn man mit hohen Spannungen und Strömen arbeitet, müsste man diesen Stecker selbstverständlich sofort entsorgen. Meine Lötkompetenzen sind nicht so hoch, dass ich das wieder ohne Rückstände hätte entfernen können. Aber für meine Anwendung reicht das völlig aus – die Flachstecker haben trotzdem gepasst.

Es kann natürlich nicht schaden, die Verbindungen mit einem Durchgangsprüfer auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Insgesamt war es eine sehr interessante Erfahrung mit einem sehr praktischen System, das ich sehr weiterempfehlen kann.

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