Vorwort
Am 27. September finden in der Schweiz diverse Abstimmungen statt. Eine davon ist die sogenannte Begrenzungsinitiative, die für eine massvolle Zuwanderung kämpfen will.
Bisher habe ich das politische Vorgehen in der Schweiz belächelt und oft als Kindergarten bezeichnet. Die direkte Demokratie der Schweiz ist zwar ein privilegiertes Recht, doch es trägt wohl zu dieser Ansicht bei, da jeder Schweizer etwas zu sagen – sei dies sinnvoll, oder nicht.
Aus diesem Grund habe ich bisher noch nie an Abstimmungen teilgenommen, bzw. mich noch nie mit Politik näher auseinandergesetzt. Zu anstrengend habe ich die Suche nach der niveauvollen Nadel im Heuhaufen erachtet. Heute aber bin ich direkt von einem Volksbegehren betroffen, was mich dazu bewogen hat, mich näher damit zu beschäftigen. Mein bisheriger Blick auf die Politik hat sich dadurch nicht verändert, sondern bekräftigt. Das Interesse im Grossen und Ganzen ist aber gestiegen und ich habe vor, mich auch in Zukunft mit dem Staatswesen im Allgemeinen zu beschäftigen. Teilweise wurde dieses Interesse auch durch die Corona-Krise ausgelöst, da ich mich bereits in diesem Zusammenhang viel über das Staatswesen in der Schweiz und auch in Deutschland informiert habe.
Nein!
Zur Begrenzungsinitiative kann ich ganz klar sagen: Nein! Es unterstreicht die Naivität mancher Politiker und trifft hunderttausende Menschen, die mit Zuwanderung nichts zu tun haben – auch Schweizer und mich selbst. Ein Medikament mit untragbaren Nebenwirkungen, das Menschen trifft, die keine Schuld tragen. Aus diesem Grund lehne ich das Begehren ab.
Das Ziel der Initiative
Das Ziel der Initiative ist, die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU beenden.
Unter «Personenfreizügigkeit» versteht man ein Abkommen, dass es Bürgern der EU ermöglicht, in der Schweiz zu wohnen und zu arbeiten. Schweizer haben umgekehrt ebenfalls die Möglichkeit, in EU-Ländern dauerhaft wohnhaft zu sein und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Mit der Initiative muss dieses Abkommen innerhalb eines Jahres gekündigt werden. Ausserdem werden dem Bund jegliche Bemühungen untersagt, die in irgendeiner Weise zu einer alternativen Freizügigkeit führen könnten.
Die Initiative will ganz ohne Scham den «Wohlstand erhalten». Abgesehen davon, dass vermutlich das Gegenteil geschehen würde (siehe folgende Kapitel), haben wir in der Schweiz mehr als genug Wohlstand.
Soweit zur Idee des Begehrens.
Die aktuelle Situation
Unbegrenzte Zuwanderung?
Im Gegensatz zu Schweizern, die ins EU-Ausland reisen ist die Ausgangslage für EU-Ausländer, die in die Schweiz reisen trotz allem noch eine andere: Wer als EU-Ausländer dauerhaft in der Schweiz leben möchte, muss entweder einen Arbeitsvertrag vorweisen können oder andere finanzielle Mittel, mit denen der potentielle Einwanderer seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die Schweiz möchte also trotz des Abkommens nur Einwanderer, die der Staatskasse nicht zur Last fallen. Es ist also eine Illusion, dass die Zuwanderung durch EU-Bürger unbegrenzt zunimmt. Das belegt die Statistik.
Unbegrenzte Elsässer?
Die Basler und Baselbieter unter uns kennen die vielen Ecken, in denen heute Erwerbstätige aus dem nahen Elsass beschäftigt sind. Damit bediene ich erstmal nur ein Klischee, das in Basel in aller Munde ist. Natürlich trifft man auch in anderen Regionen der Schweiz Menschen aus anderen Nationalitäten an.
Ich selbst bin in dieser Hinsicht uneins, ob der Ausländeranteil im hiesigen Arbeitsmarkt ein Problem darstellt. Ich kenne durchaus Firmen, die gezielt im Ausland nach Arbeitskräften suchen. Der Bund versucht jedoch, dem entgegenzuwirken, indem er Schweizer Bürger für den Arbeitsmarkt attraktiver zu machen versucht. Eine Thematik, die man vermutlich im Blick behalten muss und über die ich kein Urteil bilden kann. Die Initiative möchte unter anderem genau hiergegen vorgehen.
Die Konsequenzen
Jetzt zu meinem eigentlichen Streitpunkt: Die Konsequenzen sind umfangreich, weshalb ich das Begehren auch als naiv betrachte. Ich denke dabei an eine Szene aus dem Kinofilm der Simpsons, in der Homer versucht, ein paar Fische an Land zu ziehen und durch einen elektrischen Schlag gleich den Bestand des ganzen Sees erledigt.
Auflösung aller Abkommen
Durch die Auflösung der Personenfreizügigkeit würden auch andere Abkommen direkt aufgelöst werden, die damit verknüpft sind. Das ist vertraglich so geregelt. Dies betrifft folgende Bereiche:
- Drei Abkommen ermöglichen eine EU-weite Vermarktung von Produkten und einen chancengleichen Zugang zum EU-Markt, da Normen, Zölle und andere Voraussetzungen durch dieses Abkommen für Schweizer Firmen vereinfachter geregelt sind. Dadurch können Produkte günstiger vermarktet werden. Rund zwei Drittel aller Industrieprodukte Schweizer Hersteller und ca. 58% der Schweizer Agrar-Exporte profitieren davon. Die Schweiz ist eine Hochpreis-Insel. Durch die Annahme der Initiative würden die Preise vieler Güter und Dienstleistungen weiter ansteigen.
- Die Forschung in der Schweiz hat einen hohen Stellen- und Qualitätswert und wird durch Abkommen mit der EU gefördert.
- Zwei Abkommen ermöglichen profitablere Bedingungen im Verkehrswesen, was etwa für den Unterhalt der Autobahnen, die Infrastruktur des Schienenverkehrs und die Sicherung von Stellen im Transit-Schienenverkehr sorgt. Ca. 70% des Güterverkehrs, der über die Alpen führt, wird heute auf der Schiene transportiert.
Alle diese Abkommen müssen vertraglich ebenfalls aufgelöst werden, wenn die Initiative angenommen wird. Das verlangt zwar die Initiative nicht, sehen die Verträge aber so vor. Es steht der Schweiz und der EU frei, abgesehen von Personenfreizügigkeit Verträge neu auszuhandeln, doch dürfte dies in der von der Initiative vorgesehenen Frist von zwölf Monaten nicht realisierbar sein.
Konsequenzen für eine halbe Million Schweizer
In der EU leben ca. eine halbe Million Auslandschweizer. Also Schweizer, die sich dauerhaft im Ausland abgesetzt haben. Durch die gegenwärtigen Abkommen können Schweizer im Ausland ungehindert einer Arbeit nachgehen und ohne jeglichen bürokratischen Aufwand im EU-Ausland dauerhaft wohnen. So beispielsweise auch ich.
Die Existenz all dieser im EU-Ausland lebenden Menschen muss bei einer Auflösung dieses Abkommens neu überprüft werden.
Die Alternative
Es steht den Schweizer Bürgern frei, weitere Vorlagen gegen eine zu starke Einwanderung zu verfassen. Es wird wohl auch kaum die Letzte gewesen sein. Vielleicht aber sollte man sich etwas mehr (oder überhaupt) Gedanken machen, welche Konsequenzen manche Handlungen und Entscheide haben können. Die Medienwelt der Politik in der Schweiz zeigt ganz klar: Der Kindergarten reift nicht zu Erwachsenen heran, sondern stagniert an immer derselben Stelle. Warten wir also ab, was da noch kommt. Oder setzen eben Sie sich mit einem Arbeitskreis an Ihre Schreibtische und handeln eine neue Idee aus. Da das Begehren einer begrenzten Zuwanderung schon lange besteht, wird eine entsprechende Vorlage eines Tages auch Erfolg haben, wenn sie nur richtig durchdacht ist. Bisher zeigen Umfragen, dass die Initiativer tendenziell abgelehnt wird.
Die Schweiz ist klein, die Strassen eng. Wir haben nicht für die ganze Welt platz. Aber jeden Preis zahlen zu wollen ist in der Geschichte schon mehr als einmal schlecht ausgegangen.
Im Kindergartenalter lernt man, zu lügen
Ein typisches Bild der Politik in der Schweiz sind Lügen, die verbreitet werden. Wann will seinen Willen durchboxen – den Schnuller für sich behalten. Wem er weggenommen wird, der «däubelet» unverblümt vor allem und jedem. Eltern werden die Situation kennen, wenn ihr Kind in der Migros schreit, weil es seine Süssigkeiten nicht bekommen. Als Politiker ist das dann wieder erlaubt.
Das Initiativkomitee schreibt, dass jährlich etwa eine halbe Million Menschen in die Schweiz einwandern. Das strittige Abkommen trat aber erst im Jahr 2002 in Kraft. Damals bevölkerten die Schweiz ca. 7,2 Millionen Menschen. Heute sind es ca. 8,6 Millionen. Ein Wachstum, das auf Migration zurückzuführen ist, aber genau so auch auf andere Faktoren, wie beispielsweise höhere Geburtenraten. Ausserdem wächst die Schweiz nicht jährlich um eine halbe Million Menschen, sondern um ca. 33’000 (2019), da viele Menschen – Ausländer, wie Schweizer – das Land auch verlassen.
Empfehlung «Nein»
Der Bundesrat empfiehlt ebenfalls die Ablehnung dieses Volksbegehrens.
Weitere Informationen zu dieser und anderen Vorlagen hat der Bund möglichst neutral aufbereitet auf der Website admin.ch* oder in der App «VoteInfo».