Der Hype um ChatGPT

Ein Artikel von Ramón Lang, veröffentlicht am 17. März 2023.
Die Lesedauer beträgt ungefähr 14 Minuten.

Unter dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ verstehen sicherlich viele Menschen etwas anderes. Bisher waren die Fortschritte in diesem Bereich eher dürftig und die erfolgreichen Ergebnisse waren nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Andere Dinge werden als künstliche Intelligenz (KI) verstanden, sind es aber eigentlich nicht.

Die absolut niedrigste Form KI – die eigentlich aber keine ist – sind die Chat-Bots auf verschiedenen Websites von Firmen, die mit ihren Kunden nicht in Kontakt treten wollen. Zum Beispiel Paket- und Postdienste, Telekommunikationsunternehmen und andere große Firmen. Obwohl kaum einem durch diese sogenannten Bots geholfen wird, sind sie heute überall anzutreffen.

Dann gibt es noch die Sprachassistenten Alexa, Google und Siri. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man hier von KI sprechen kann. Soweit ich weiß greifen die Assistenten auf große Datenbanken und das Internet zurück. Das allein macht noch keine KI aus.

Auch Suchmaschinen wie Google und Bing kennen wir alle. Google – der Marktführer – wird als ach so tolle Suchmaschine gelobt. Aber mal ehrlich: Wie viele Stunden haben wir doch alle schon auf Google verbracht und nichts gefunden? Es ist eben die Google-Suche, und nicht das Google-Finden. Also auch hier ist der technische Fortschritt kaum zum Nutzen der Allgemeinheit, denn mit Google finde ich nur etwa die Hälfte von dem, was ich suche.

Eine KI kann lernen. Das ist der entscheidende Unterschied. Sie lernt und verbessert sich im besten Fall, sodass mit der Zeit immer mehr Entwicklungen beobachtbar sind. Die Automobilindustrie versucht dadurch autonomes Fahren umzusetzen. Die ganzen bis hierhin genannten Beispiele lassen aber nur ein ernüchterndes Fazit zu. Ich habe dazu eine kurze und prägnante Meinung: Künstliche Intelligenz kann nichts. Sicher ist diese Aussage übertrieben. Es gibt durchaus auch digitale Projekte, die echte Meilensteine sind, aber nicht für jeden auf dem Markt zu haben sind. Vermutlich wegen der absurd hohen Kosten. Das haben nämlich die erfolgreichen KI alle gemeinsam. Sie verschlingen Unmengen Geld.

So auch ChatGPT. Etwa zwei Wochen bevor diese heute überall bekannte KI in den Medien groß wurde habe ich das erste mal davon gehört: Der YouTube-Kanal c’t 3003 berichtete davon. Mein Interesse war gering und auch als der große Medienrummel kam ging mir das mit der Zeit eher auf die Nerven. Ich höre viele Podcasts. Etwa ein Drittel davon dreht sich in irgendeiner Weise um Technik und ich kann derzeit kaum noch irgendetwas hören, ohne dass ChatGPT zum Thema wird.

Meine ersten Versuche

Ich wollte wenigstens sichergehen, dass auch diese neue KI ähnlich nutzlos ist, wie alles, was ich schon kenne. Ich habe vorhin von meinen erfolglosen Google-Suchen geschrieben. Ich habe mich also bei Open AI – der Firma hinter ChatGPT – angemeldet und ChatGPT ausprobiert. Und zwar für Zwecke, bei denen ich mit Google nicht vorwärts komme.

Eine große Wissensbarriere ist unter anderem die Sprache. Mit englisch komme ich zwar bei Google-Ergebnissen sehr gut zurecht. Aber ChatGPT formuliert ja ganze Sätze und das wäre mir auf Dauer zu viel.

Ach ja – kurzer Exkurs: Was ist ChatGPT eigentlich?

Ähnlich wie bei einer Suchmaschine gibt es ein Textfeld, in das man eine Frage schreiben kann. Dann schreibt ChatGPT eine Antwort. Das sieht ähnlich aus, als würde man mit einem Menschen chatten. Aber ChatGPT macht kein Geheimnis daraus, dass es sich um eine KI handelt und weist auch darauf hin, wenn das Gespräch zu menschlich wird.

Nun denn. Meine erste Frage war: „Do you understand german?“. Ich war etwas überrascht, dass ChatGPT nicht nur mit Yes… geantwortet hatte, sondern gleich auf deutsch. Generell finde ich, dass ChatGPT sehr gut verständlich deutsch schreibt. Eine Stärke der KI ist, dass es zwar ganze Sätze formuliert, aber schnell zum Punkt kommt. Um Missverständnisse zu vermeiden, wiederholt es auf eine geschickte Art, was der Mensch zuvor gefragt hatte.

Ich wollte wissen, auf welche Ressourcen ChatGPT zugreifen kann. Aus den Medien ging hervor, dass die sogenannten Trainingsdaten nur bis zum Jahr 2021 reichen. Dass Corona mittlerweile vorbei ist, weiß es daher aktuell nicht. Es konnte mir aber auch nichts über einen Marco K** aus dem Fricktal erzählen. Vermutlich blockiert der Algorithmus Antworten zu einzelnen Privatpersonen.

Kreativ sein

Es widerspricht sich natürlich, wenn man kreativ sein möchte und dann trotzdem Hilfe im Kreativ-sein selbst benötigt. Aber bei mehreren Dingen konnte Chat GPT eine Hilfe sein, wenn ich willkürliche Vorschläge zu einem kreativen Thema haben wollte. Im Februar hatten wir eine neue Katze adoptiert. Ein Name hatten wir schon, aber trotzdem wollte ich wissen, ob ChatGPT da etwas nachhelfen könnte.

Hast du Ideen für einen Namen, der zu einer weißen Katze passt?

Natürlich, ich habe einige Ideen für Namen, die zu einer weißen Katze passen könnten:

  1. Schneeflocke
  2. Frost
  3. Eisbär
  4. Winter
  5. Milky
  6. Luna
  7. Casper
  8. Ghost
  9. Marshmallow
  10. Pearl

Ich hoffe, dass dir diese Namen als Inspiration dienen können, um den perfekten Namen für deine weiße Katze zu finden!

ChatGPT

Eine weitere Stärke dieser KI ist, dass es sich auf vergangene Nachrichten beziehen kann. Wie das auch ein Mensch kann, erinnert sich auch ChatGPT an den Gesprächsverlauf. Wenn ich also konkretere Wünsche zu einem Namen für eine Katze habe, kann ich das einfach weiter konkretisieren – ich muss also nicht die Frage ganz neu stellen. ChatGPT hat diese Zusammenhänge bisher immer sehr gut verstanden, auch wenn es komplizierte Gespräche wurden.

Im nächsten Schritt habe ich eine Nachricht bekommen von einem Bekannten. Ich hatte wirklich keine Lust zu antworten. Also kam ich auf die Idee, diese Nachricht der KI zu zeigen und um eine geeignete Antwort zu bitten. Ohne, dass ich die Antwort in irgendeiner Weise vorgegeben hätte, schrieb mir die KI eine komplette Antwort, die so überzeugend war, dass ich sie einfach kopieren und verschicken konnte.

Das mache ich natürlich sonst nicht mehr so – es war nur ein Test.

Doch zurück zum Thema „Google“. Wenn man eine Wissensfrage hat, ist Google ja auch oft die erste Anlaufstelle. Aber taugt auch ChatGPT? In den Medien wurde oft erwähnt, dass die Informationen der KI nicht immer richtig sein müssen. Das muss einem Anwender natürlich klar sein. Nach einem Monat intensiver Nutzung muss ich allerdings schon sagen, dass die Richtigkeits-Quote in meinen Fällen bei mindestens 90% lag. Ich wollte also etwas kniffliges wissen:

Warum ist es schwieriger, die Treppen auf einer Rolltreppe hochzugehen, wenn die Rolltreppe steht?

Ein Mensch versteht die Frage vermutlich gut: Wenn die Rolltreppe läuft, dann ist es einfacher, gleichzeitig nach oben zu gehen, als wenn sie steht. Aber warum? Ich dachte, es handelt sich um eine Täuschung.

ChatGPT hat allerdings nicht nur die Semantik des Satzes richtig verstanden, sondern auch Wortbedeutungen. Deutsch ist da sicher eine Herausforderung, denn die Grammatik ist nicht leicht und einzelne Wörter können verschiedenes bedeuten. Aber: Die Antwort hat mich überzeugt:

Wenn eine Rolltreppe stillsteht, bewegt sich die Trittfläche nicht mehr mit einer konstanten Geschwindigkeit. Stattdessen muss man die volle Last des eigenen Körpergewichts bewältigen, während man die Treppe hinaufsteigt. Dies erfordert mehr Muskelkraft und Energie als das Gehen auf einer normalen Treppe.

Wenn die Rolltreppe hingegen in Betrieb ist, bewegt sich die Trittfläche mit einer konstanten Geschwindigkeit, die dem Tempo des Benutzers entspricht. Dadurch wird ein Teil des Gewichts und der Anstrengung des Benutzers von der Rolltreppe getragen, was es einfacher macht, die Treppe hinaufzugehen.

Deshalb kann es schwieriger sein, eine Rolltreppe hochzusteigen, wenn sie stillsteht, da der Körper mehr Anstrengung benötigt, um gegen die Schwerkraft anzukämpfen.

ChatGPT

In dieser Antwort steckt sehr viel: Die KI beweist hier ein sehr gutes Sprachverständnis. Es hat genau verstanden, worauf ich hinaus wollte. Es hat sich auch in vielen weiteren Anfragen gezeigt, dass ChatGPT sprachlich wirklich viel auf dem Kasten hat. Schreibfehler und nicht perfekte Formulierungen verzeiht es mindestens so gut, wie ein Mensch. Und außerdem ist die Antwort klar und verständlich.

Ein weiteres Beispiel (falls es Dich interessiert):

Ist die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum höher als nicht im Vakuum?

Nein, die Geschwindigkeit des Lichts ist im Vakuum konstant und beträgt etwa 299.792.458 Meter pro Sekunde. In anderen Medien, wie Luft, Wasser oder Glas, kann sich die Geschwindigkeit des Lichts jedoch aufgrund von Wechselwirkungen mit den Atomen oder Molekülen des Mediums ändern und verlangsamen. Zum Beispiel beträgt die Geschwindigkeit des Lichts in Luft etwa 299.702.547 Meter pro Sekunde, was langsamer ist als im Vakuum.

ChatGPT

Wissenschaftliches Arbeiten

Weil das Thema „Wissen“ bei ChatGPT oft kritisiert wurde, habe ich nach Quellen gefragt, woraufhin ich drei Links bekommen habe. Das beweist (vermutlich), dass eine Aussage nicht nur auf einer einzigen, evtl. falschen Quelle beruht, sondern aus verschiedenen Quellen zusammengestellt wird. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit nach einer richten Antwort natürlich sehr.

Ja, „Quellen“. Auch so ein großer Kritikpunkt. Aber wenn ich heute noch in meinem evangelischen Studium wäre, hätte ich ChatGPT ganz sicher angewendet. Da es konkrete Quellen angibt kann man sich nämlich auf diese beziehen und erhält auch noch eine erste Interpretation, auf der man dann entweder aufbauen oder die man verwerfen kann.

Aus meiner Sicht ist also wissenschaftliches Arbeiten mit ChatGPT sicher nicht unmöglich, nicht verwerflich und auf jeden Fall wesentlich besser, als „nur“ in Wikipedia nachzusehen, weil andere Google-Resultate sowieso nicht viel taugen.

ChatGPT weiß also auf alles eine Antwort. Wie auch bei Google muss man bei ChatGPT wissen, wozu man es benutzen kann. Einen Mixer kann man nicht zum Fahrradfahren benutzen. So können auch künstliche Intelligenzen nicht für alle Lebenssituationen herhalten.

Für Programmierung ein Muss

Ich nutze heute diese KI gerne, um solchen Alltagsfragen nachzugehen. Digitale Amnesie lasse ich dabei nicht gelten, da ich durchaus versuche, erst einmal selber nachzudenken und dann die Antworten zu hinterfragen.

Es hat sich herausgestellt, dass ChatGPT in der Programmierung eine große Hilfe ist. Ich hätte nicht gedacht, dass es die Syntax und Funktionalität von Programmcodes so gut beherrscht. Ich habe angefangen, einfache Fragen zu stellen, die mit der Zeit immer komplexer wurden. Obwohl ich die KI erst seit einem Monat nutze, konnte ich durch sie im Bereich der Programmierung schon viele Stunden Zeit sparen. Oder noch mehr: Die Hilfe von ChatGPT hat mir geholfen, eine neue Programmiersprache zu lernen, worin ich vor einigen Monaten ohne diese KI kläglich gescheitert bin.

Gerade für Programmier-Anfänger ist ChatGPT also wirklich sehr empfehlenswert. Das Lernen von Neuem hat nämlich einen Haken: Man ist in der Regel auf andere angewiesen. Entweder in Form von Lehrern und Lehrerinnen, in Form von Hilfe in Foren im Internet, von Vorgesetzten in der Ausbildung usw. Selbst wenn man ein Buch zurate zieht, muss das jemand geschrieben haben. Versteht man das Geschriebene nicht, hat man eben Pech. ChatGPT kann auf jede noch so „dumme“ Anfängerfrage so adäquat antworten, dass der Lernerfolg sehr beträchtlich ist. Der Mensch hat eine entscheidende Schwäche: Er hat wenig Geduld und neigt zu asozialem Verhalten. Über Google in Foren nach Antworten zu Suchen ist beim Programmieren ein echter Graus, da jeder den anderen anmotzt und kaum einer dem anderen hilft – obwohl jeder es besser weiß.

Für ein Projekt, das ich in diesem Artikel beschreibe, habe ich sehr viel Hilfe von ChatGPT benötigt. Ich wollte einen LED-Streifen mit einem Minicomputer steuern und das auch noch unter Berücksichtigung des Standort eines Zuges. ChatGPT hat mir erklärt, wie ich den LED-Streifen an den Minicomputer anschließen muss und welche Schritte bei der Einrichtung und Programmierung nötig sind. Das alles hat nicht nur erfolgreich geklappt, sondern ich habe jetzt auch noch eine neue Programmiersprache gelernt – wenn auch erst die basics.

Fazit

Ich habe also aus meinen Erfahrungen gelernt, dass der Hype um ChatGPT durchaus seine Berechtigung hat. Einige Kritikpunkte muss ich sogar zurückweisen, wenn man einen erwachsenen Umgang mit der KI pflegt – also beispielsweise Wert auf eigenes Denken legt. Außerdem übersteigt die Leistung der KI alles bisher dagewesene.

Für verschiedene Einsatzzwecke ist es unbedingt zu empfehlen. Es ist wichtig, seine Grenzen zu kennen. Dazu muss man sie aber selber abtasten.

ChatGPT ist aktuell kostenlos. Die Länge der Antworten ist begrenzt. Die KI unterbricht leider einfach mitten in einem Satz, wenn die Grenze erreicht ist. Aber das war bei mir sehr selten der Fall – zum Beispiel bei langen Programmcodes.

Zum Abschluss noch eine kleine Konversation zum schmunzeln:

Kannst du schweizerdeutsch?

Ja, ich kann auch Schweizerdeutsch verstehen und darauf antworten.

Wie vill Fährine gits z’Basel und wie heisse si?

Es gibt insgesamt 5 Fähren in Basel, die alle von der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) betrieben werden. Hier sind die Namen der Fähren:

  1. Fähre St. Alban – Klybeck
  2. Fähre Klingental
  3. Fähre Münster
  4. Fähre Ueli
  5. Fähre Vogel Gryff

Bitte beachten Sie, dass ich versucht habe, die Namen so gut wie möglich in schweizerdeutscher Schreibweise wiederzugeben.

Und wie vill Brugge gits über de Rhy?

Es gibt insgesamt sieben Brücken über den Rhein in Basel. Hier sind ihre Namen:

  1. Mittlere Brücke
  2. Wettsteinbrücke
  3. Johanniterbrücke
  4. Dreirosenbrücke
  5. Schwarzwaldbrücke
  6. Rheinbrücke
  7. Dreiländerbrücke

Bitte beachten Sie, dass ich versucht habe, die Namen so gut wie möglich in schweizerdeutscher Schreibweise wiederzugeben.

Am Schweizerdeutsch müssen wir noch arbeiten. Aber verstehen kann es besser als die meisten Deutschen…